Ich bin ein Mann ganz nach dem Geschmack meiner Familienministerin: Erzieher seiner Kinder, nicht nur Arbeitstier und Ernährer; fürsorglicher Vater und zugleich attraktiver Liebhaber.
Lasse mich nicht als Weichei beschimpfen, wenn ich mich um mein Baby kümmere. Nein, ich bleibe die nächsten zwei Monate zu Hause, diene im Sinne der vonderleyenschen Emanzipation und meiner Tochter Johanna, die gerade ein Jahr alt geworden ist und das hübscheste Mädchen der Welt ist. Das Hessische Amt für Versorgung und Soziales lässt dafür eine hübsche Summe springen. Ich weiß zwar nicht, womit wir es verdient haben, aber Vater Staat zahlt zwei Drittel des Nettoeinkommens - wie schon die ersten zwölf Monate für die Mutter meiner Kinder.
Trotzdem habe ich mich lange gewehrt. Selbst das Argument meiner Frau, in der Vater-Zeit liege ja die Europameisterschaft, hat nicht verfangen: Fußball macht wenig Spaß mit einem quengelnden Balg auf dem Arm. Ich war also dagegen, habe auf Zeit gespielt und auf die Hindernisse hingewiesen. DasGeld zum Beispiel, denn es bleibt trotz des Zuschusses weniger übrig. Das hat aber alles nichts geholfen. Bis der versprochene Krippenplatz frei wird, muss ich das Kind schaukeln. Nicht, dass ich ohne Erfahrung bin: Johanna hat zwei Geschwister, beide noch im Kindergarten. Die Kunst der Breizubereitung ist mir vertraut, die des Windelnwechselns sowieso.
Trotzdem fühle ich mich mulmig mit der Elternzeit. Vor allem, wenn es um die Arbeit geht. Was werden die Kollegen denken? Wird der Chef nörgeln? Alles Quatsch. "Wir werden einen Weg finden." Mehr war nicht. Dienste und Aufgaben sind bald geräuschlos verteilt. Ein bisschen mehr Unentbehrlichkeit wäre schön gewesen, aber das Gefühl muss ich mir jetzt daheim holen. Vielleicht stellt es sich ja in der kommenden Woche ein, wenn es an dieser Stelle um die sachgerechte Trennung von Koch- und Buntwäsche geht.
Der kleine Unterschied in der Waschküche
Das hat man davon. Kaum zeige ich das ganze Ausmaß meines guten Willens und steige schon in der zweiten Woche meiner Elternzeit ins Wäsche-Geschäft ein, wird das gegen mich verwendet. Frauen sind damit vertraut, ehemalige und aktive Junggesellen nicht: Heutzutage muss man die Wäsche nach Farben sortieren. Von "bunt" über "dunkelbunt" bis "weiß". Wolle geht extra. Also bringe ich den ersten Wäschekorb nach unten, schmeiße den Inhalt in die Trommel. Auf meinen Ruf, es fehle das Kästchen zum Einfüllen des Waschpulvers, antwortet meine Gattin, doch, das gebe es. Ich bestehe darauf, dass es an dieser Maschine nicht dort ist, wo es hingehört. Sie folgt mir in die Waschküche, und in dem Moment, als sie freudig in die Hände klatscht ("wem erzähle ich es nur zuerst"), wünsche ich mich in einen anderen Film und hole die verdammte Schmutzwäsche wieder aus dem Trockner.
Ich schwöre, dass ich sonst nicht so ein Alltagstrottel bin. Vielleicht handelt es sich ja um eine im Unbewussten verwurzelte männliche Strategie. Von meinem Vater weiß ich, dass er sich bei seinen Angeboten, im Haushalt zu helfen, so dämlich angestellt hat, dass meine Mutter ihn schließlich aus der Küche geworfen hat. Zu dieser Rollenverteilung gehören natürlich zwei. Er gibt den Idioten, sie hat die Arbeit. Dafür hat sie aber auch das Sagen und die Gelegenheit, ihm ein schlechtes Gewissen zu machen. Es geht also um Macht. Und weil ich von der auch etwas abhaben will, erhöhe ich den Einsatz. Von heute an wird gebügelt. Von mir aus auch mit unterschiedlichen Temperaturen. Meiner Tochter Johanna geht es übrigens prima. Sie blüht unter der väterlichen Obhut auf und kann das Wohnzimmer mit nur einem Finger unterstützt auf zwei Beinen durchqueren. Nicht mehr lange, und sie wird richtig laufen.
Profi-Väter auf der Picknickdecke
Nur jeder zwanzigste deutsche Vater nimmt Elternzeit. Da darf man sich doch als sorgender Papa etwas Exklusivität versprechen. Also erwarte ich an einem sonnigen Donnerstagvormittag vor allem Mütter im Park. Natürlich sind sie in der Mehrheit. Von den geschätzten 30 Kindern im Sandkasten sind etwa 20 mit Mama gekommen, vier oder fünf mit Oma oder Opa, aber immerhin fünf auch mit dem mutmaßlichen Vater. Die beiden Kerle drüben auf der Wiese sehen sogar auffallend professionell aus: Picknickdecke, Obststückchen in der Tupperschale, und obendrein ist die Babyschale sorgsam mit einem Tuch gegen das Sonnenlicht geschützt. Derart gute Vorbereitung sieht man sonst nur bei Vollzeitmüttern.Tatsächlich sind Volker und Frank keine Amateure mehr. Beide sind schon zum zweiten Mal Vater und haben sich beim zweiten Kind mit Begeisterung für die Elternzeit entschieden. Volker hat den privaten Rollenwechsel genutzt, um sich auch im Beruf neu zu orientieren. Aus dem Angestellten eines Verbandes ist ein selbständiger Berater geworden. Ob das auch mit der bräsigen Reaktion des Chefs auf seine Elternzeitpläne zu tun hat, ist in dem kurzen Schnack nicht herauszubekommen. Dafür berichtet Frank von einer interessanten Erkenntnis. Früher habe er die Park-Muttis immer beneidet, wie die sich einen Lenz machen. Heute wisse er, wie viel Arbeit und Vorbereitung erforderlich ist, um sich die zwei Stunden freizuschaufeln. Recht hat er, denke ich, ehe ich mit Töchterchen Johanna weiterziehe. Spätestens um zwölf wird sie mich anbrüllen, wenn sie bis dahin nicht ihr "Gemüserisotto mit zarter Biopute" im Bauch hat. "Hase" lautet übrigens die Bezeichnung für alles, was Beine hat, aber kein Mensch ist. Das häufigste Wort ist leider noch "Mama". Trotz Trainings bringt sie immer noch kein akzentfreies "Papa" über die Lippen. Kommt noch.
Zeitmanagement mit drei Jungterroristen
So wollte ich nie sein. Erwachsene, die ihre Kinder anschnauzen, mag ich nicht. Und jetzt ertappe ich mich, wie ich meinen eigenen Nachwuchs wegen Nichtigkeiten zur Schnecke mache. Das ist der bisherige Tiefpunkt meiner kurzen Karriere als Vollzeitvater. Alle drei Kinder - Johanna (1), Jurek (3) und Miriam (5) - allein zu versorgen, das mache ich natürlich nicht zum ersten Mal. Auch vorher gab es Tage, an denen meine Frau nicht da war. Aber es ist ein Unterschied, ob man den Laden für ein Wochenende übernimmt und Schwierigkeiten mit einem Bestechungseis löst oder ob man die Schlacht über Wochen schlagen muss. Denn dann ist der Dreikäsehoch, der nackig vor der Zahnbürste flieht, nicht mehr süß und putzig. Dann wird er zur Gefahr für den Zeitplan. Wenn die beiden Großen nicht rechtzeitig gebadet und bettfertig sind, ist auch das Abendessen nicht pünktlich parat und dann kennt die Kurze keinen Spaß. Sie wird brüllen, was bei mir innerhalb von Sekunden zu einem Schweißausbruch führt. Also brülle ich lieber selbst. Bringt natürlich nichts. Meine große Tochter geht damit routiniert um: "Papa, sei nicht so zickig."
Wie machen das nur Alleinerziehende? Die können sich ja nicht einmal vertreten lassen und sind ihren Jungterroristen tagaus, tagein ausgeliefert, über Jahre. Erstaunlicherweise verschafft mir so ein ganz allein durchgestandener Hochleistungstag, wenn am Ende auch noch die Wohnung einigermaßen aussieht, ein Gefühl der Befriedigung. Ich hab mich nicht unterkriegen lassen. Und: Was meine Frau kann, kann ich schon lange. Vielleicht nicht perfekt, aber abgesehen von meinem Nervenzusammenbruch, ganz ordentlich. Schön ist, dass ich in der Gunst meiner Kinder aufgeholt habe. Mitunter werde ich schon als Assistent beim Klogang bevorzugt. Auch Johanna wählt trotz starker Konkurrenz gelegentlich ihren Vater, wenn sie auf den Arm will. Sie hat übrigens die ersten eigenen Schritte gemacht, sich dann aber vorerst doch fürs Krabbeln entschieden.
Kein Vertrauen von Rosa
Rosa traut mir immer noch nicht über den Weg. So, als ob sie ständig das Schlimmste befürchten müsste, wenn ich die Kinder in meiner Elternzeit allein versorge. Sie erkundigt sich zwar diskret nach dem Befinden der Jüngsten und bietet möglichst beiläufig an, gelegentlich zur Unterstützung vorbeizuschauen. Aber das Misstrauen ist nicht zu überhören. Ich glaube sogar, ich soll es hören. Das trifft mich, denn Rosa, die uns vor ein paar Jahren gewissermaßen adoptiert hat, ist eine Kapazität auf dem Gebiet der Brutpflege. Sie ist mit Ende fünfzig schon Urgroßmutter und hat keine geringen Chancen, mindestens noch das Doppel-Ur zu schaffen. Mit ihren Kindern und Kindeskindern hat Rosa gute Erfahrungen gemacht, mit ihren Männern nicht immer, was ihre Vorbehalte für mich etwas erträglicher macht.
Rosa, die aus Kroatien kommt, ist mit ihrem Misstrauen übrigens kein Einzelfall. Im Kindergarten, beim Abholen meiner beiden Großen, habe ich des Öfteren zweifelnde Blicke gespürt. Und mindestens einmal fragte eine besorgte türkische Mutter bei den Erzieherinnen nach, ob das denn gutgehe. Der Vater mit den kleinen Kindern, so ganz allein, ohne die Mama. Es geht ganz wunderbar, finde ich jedenfalls. Die kleine Johanna, der ich meine Elternzeit zu verdanken habe, wird gerade in der Krippe eingewöhnt. Ich habe dank der Auszeit genügend Zeit, um sie bei einer besonders behutsamen Annäherung zu begleiten. In den ersten beiden Wochen war ich stets mit im Raum. Und erst jetzt lass' ich sie mit der Erzieherin allein, jeden Tag ein Stückchen länger. Ohne meine zwei Monate Elternzeit hätte sich der Wurm längst in den normalen Krippenbetrieb fügen müssen. Gottlob ist so viel Zeit, denn noch mag Johanna nicht loslassen. Und um ehrlich zu sein: ich auch nicht. Wenn ich aus der Tür gehe, schimpft sie, und wenn ich wiederkomme, vergießt sie Tränchen. Das bricht mir das Herz, obwohl ich dank der Erfahrung mit den beiden Geschwistern weiß, dass Johanna gut aufgehoben ist.
Expertenrunde in der Krabbelgruppe
Es geht doch nichts über eine gepflegte Fachsimpelei. Männer können das mühelos auf jedem Gebiet. Fußball, Autos und Frauen zählen zu den Favoriten im Repertoire. Es geht aber auch prima mit Themen wie Zahnen oder Babycreme. Nils zum Beispiel hat neulich in der Vater-Kind-Krabbelgruppe hervorragend über die Wahl der richtigen Windel referiert. Bierernst schilderte er seine Tests mit den verschiedenen Modellen. Durchgesetzt hat sich die Lidl-Windel, knapp vor der Konkurrenz von Aldi. Wegen der größeren Bequemlichkeit, wenn ich mich recht erinnere. Die weitaus kostspieligeren Pampers und andere Markenwindeln schnitten weniger gut ab. Halten den Hintern nicht trocken genug, behauptet Nils. Das Unterhaltsame an derartigen Gesprächen ist, dass Männer auch die abseitigsten Themen ernsthaft und mit Detailfreude besprechen können. So wird die Krabbelstunde zu einer munteren Plauderei, über Kinder, Beruf, Telefontarife, Gott und die Welt.
Unter Müttern geht es - so höre ich unter anderem von meiner Frau - weniger entspannt zu. Egal, ob bei der gemeinschaftlichen Babymassage oder im Sandkasten: Einziges Thema ist meist das Kind. "Was ich beruflich mache, interessiert hier ja sowieso niemanden", hat mal eine in einer Vorstellungsrunde gesagt. Was dagegen zählt: Wie war die Schwangerschaft? Wie die Geburt? Was kann der Kleine? Welche Zipperlein hat er? Nicht selten tragen die jungen Mütter untereinander einen Wettbewerb aus, berichtet auch die Krippenerzieherin von ihren Erfahrungen als Mutter unter Müttern. "Ach, deine Kleine spricht noch nicht? Meiner hat gerade gestern das erste Puzzle mit 20 Teilen gelöst und unterhält sich dabei so goldig mit seiner großen Schwester." Vielleicht ist das ja etwas, was die Mütter sich von der neuen Vätergeneration abschauen können: Es gibt keine Weltmeisterschaft im Kindergroßziehen. Sie gehen alle ihren Weg, früher oder später. Und mit Eltern, die engagiert und zugleich gelassen sind, fällt es den Kindern vielleicht ein bisschen leichter - und den Erwachsenen erst recht.
Wenn sich die Rollen bedenklich verschieben
Wird Zeit, dass die Schule wieder anfängt", pflegte meine liebe Mutter immer zu sagen, wenn während der Schulferien - sie war Lehrerin - ihre fünf halbwüchsigen Söhne zu sehr nervten. Der Stoßseufzer kommt mir derzeit in den Sinn, allerdings in anderem Zusammenhang. Da macht man und tut man, kutschiert die Kinder durch die Gegend. Gottlob hat sich die kleine Johanna inzwischen an die Krippe gewöhnt. Man bügelt, wäscht die Wäsche - von mir aus auch getrennt nach bunt und dunkelbunt. Selbst Wohnzimmer und Bad habe ich während meiner zwei Monate Elternzeit schon geschrubbt - klaglos. Als Junggeselle habe ich so viel in sechs Monaten nicht geputzt. Und was ist der Lohn: Mäkeleien. Mein Begriff von Sauberkeit und Ordnung ist nun mal ein relativer. Wenn es auf den wohlmeinenden Betrachter - das bin ich - einen guten Eindruck macht, dann langt es, und die Unordnung darf allmählich wieder aufblühen bis zur nächsten Putzaktion.
Meine Gattin hat dagegen einen absoluten Anspruch, Krümel oder eine einsame, ungespülte Pfanne sind Anlass genug für tadelnde Blicke. Was soll das? Schließlich habe ich in der gesparten Zeit den Garten in Schuss gebracht, das Geländer gestrichen und das Gehege der Kaninchen repariert. Das Gehege der Kaninchen, die ich nie wollte. Ist das alles nichts? Und überhaupt, sie geht arbeiten, ich bleibe zu Hause. Da verbietet sich schon von Rechts wegen jeder Vorwurf. Sonst könnte ich ja demnächst auch nach der Arbeit kommen und fragen, warum das Essen immer noch nicht auf dem Tisch steht. Den Skandal möchte ich lieber nicht erleben. "Das ist nicht dasselbe." Ach ja, natürlich nicht. Unsere Rollen haben sich bedenklich verschoben. Gegen die regelmäßigen Chorbesuche kann man ja nichts einwenden, auch die Fortbildungsveranstaltungen an den Nachmittagen müssen wohl sein, aber nun geht sie mit ihren Freundinnen zum Cocktailschlürfen in Bars, die mir auch gut gefallen würden. So weit sind wir schon. Wird Zeit, dass die Arbeit wieder anfängt.
Resozialisierung auf die harte Tour
Aus und vorbei. Der Wiedereinstieg in das Berufsleben hätte etwas sanfter sein können. Eine Woche Post lesen, Dienstwagen wieder abholen, Kaffee trinken, neue Ideen sammeln, so in der Art. Nichts da: Es sind Sommerferien und viele Kollegen im Urlaub, also geht es von Anfang an rund. Aber vielleicht ist nach zwei Monaten Elternzeit die Resozialisierung auf die harte Tour genau das Richtige. Es bleibt keine Zeit, der schönen Zeit nachzutrauern. Und schön war es, trotz aller nervigen Quengeleien der Kinder und trotz aller Konflikte um den Haushalt. Oder gerade deswegen. Denn ich weiß jetzt besser zu schätzen, was meine Frau leistet, und dass es erstaunlicherweise sogar Freude machen kann, die Wohnung zu wischen. Diesen Spaß werde ich mir natürlich künftig nicht entgehen lassen - gelegentlich. Miriam, Jurek und Johanna sehe ich auch sonst, wenn ich berufstätig bin, jeden Tag. Die Woche über morgens und abends. Aber es ist etwas ganz anderes, die Kinder am Montag zum Arzt zu bringen, am Dienstag zur Musikschule,mit ihnen am Mittwoch in den Park zu gehen, am Donnerstag das Planschbecken aufzubauen und am Freitag gemeinsam eine tote Amsel im Garten zu Grabe zu tragen.
Lauter kleine Erlebnisse, die ich vielleicht auch sonst gehabt hätte. Doch dank der Elternzeit hatte ich sie gehäuft und ohne das Gefühl, dass ich bald wieder weg muss. Ein Geschenk also, besonders die Zeit mit meiner einjährigen Tochter Johanna, der ich die Baby-Pause zu verdanken habe. In den acht Wochen hat sie zum Beispiel gelernt, aus der Tasse zu trinken, ihre Geschwister anzugiften, und sie hat ihren Laufstil verfeinert. Sie kann jetzt sogar mit dem Puppenwagen rückwärts einparken. Das Schönste ist aber die Art, wie sie Papa sagt (vor der Elternzeit gab es nur Mama). Mal plappernd, mal sehnsuchtsvoll säuselnd und einmal als erstes Wort beim Aufwachen - wenn das keine Belohnung ist. Mit anderen Worten: Obwohl ich vorher skeptisch war, würde ich jederzeit wieder in Elternzeit gehen. Und wer weiß ...
von Stefan Ruhkamp: Papa macht Pause